Remember, remember, the 9th of November…
Mit dem Fall der Mauer markiert der 9. November ein helles und hoffnungsvolles Kapitel der neueren deutsche Geschichte. Zugleich steht dieses Datum aber auch für den Beginn eines ihrer dunkelsten Kapitel: „Mit dem 9. November 1938 schlugen [die antisemitische Politik und Propaganda der Nationalsozialisten] um in offene physische Gewalt. In dieser Nacht wurde die systematische Vernichtung der Juden im damaligen deutschen Reich eingeleitet, die knapp drei Jahre später im Holocaust mündete.“ So fasst Prof. Dr. Walter Rosenthal, der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2017 die Gräueltaten der Reichspogromnacht zusammen.
Beide Anlässe bringen zum Ausdruck, was Demokratie bewirken kann, wenn sie eingefordert wird, bzw. anrichten kann, wenn sie ausgelöscht wurde. Dass demokratisches Handeln auch und gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je ist, zeigte sich am vergangenen Samstag am Hannah-Arendt-Gymnasium in Markranstädt.
Nebelig und trüb präsentierte sich das Wetter an diesem Samstagmorgen und schien sich so der ehrfurchtsvollen Stimmung anzupassen, mit der sich gegen halb neun eine kleine Gruppe vom Gymnasium aus auf den Weg in die Leipziger Straße machte. Angeführt vom Team der Arbeitsgruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR) wurden an den dort verlegten fünf Stolpersteine der Familie Bruno Mielziner Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Mielziner wohnte nach dem ersten Weltkrieg in Markranstädt und wurde 1942 mit seiner gesamten Familie deportiert und ermordet. So sollte stellvertretend all den Unschuldigen gedacht werden, die durch die Massenvernichtung des nationalsozialistischen Regimes ihr Leben verloren. Valerie Vörkel aus der Jahrgangsstufe 12 fand in ihrer Rede bewegende Worte für die Verantwortung heutiger Generationen zur Wahrung der Demokratie.
Danach ging es zurück zur Schule, denn das SOR-Team hatte noch eine weitere Aktion für diesen Tag geplant, die ein klares Zeichen für Demokratie, gegen verfassungswidrige Propaganda und menschenverachtendes Gedankengut setzte: Die feierliche Übergabe der Demokratietische.
Dieses besondere Projekt wurde im vergangenen Schuljahr durch die Schülerinnen und Schüler ins Leben gerufen. „In einem gemeinsamen Kraftakt wurden Schultische, die mit verfassungswidrigen Symbolen und Hassbotschaften beschmiert waren, abgeschliffen, neugestaltet und damit zu Symbolen der Demokratie umgestaltet“, so Richard Seidel aus der Klasse 10.3, Leiter der Arbeitsgruppe SOR.
Während der Präsentation, bei der nicht nur das Kollegium des Gymnasiums, sondern auch Eltern, Geschwister, die Bürgermeisterin und weitere VertreterInnen der Stadt anwesend waren, wurden die entstandenen Kunstwerke und deren Bedeutungen durch die Arbeitsgruppe ausführlich erläutert.
So gab es zwei Tische, die gemeinschaftlich gestaltet wurden. Sie waren zum Schulfest im Sommer des vergangenen Schuljahres aufgestellt worden und Besucherinnen und Besucher konnten ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Ein Tisch wurde überwiegend mit Handabdrücken geschmückt – das perfekte Zeichen für Gemeinschaft und Zusammenhalt. Auf dem zweiten haben sich viele mit witzigen Sprüchen, Liebesbekundungen oder auch einfach mit ihrem Namen verewigt – auch eine Ente (das Maskottchen unseres Schülerrates) ist zu finden. Dieser Tisch repräsentiert somit unsere bunte Schulgemeinschaft.
Die anderen beiden Tische wurden durch Mitglieder des SOR-Teams selbst gestaltet. Auf einem davon fanden viele weiße Tauben auf einem pink-violetten Hintergrund ihren Platz und setzen so ein Zeichen für Frieden, Sicherheit und Geborgenheit.
Einen Ort der Ruhe und Freiheit soll der Küstenstreifen auf dem zuletzt enthüllten Tisch symbolisieren, der seinen neuen Platz passenderweise im Raum von Frau Lapöhn findet, in dem sowohl Geografie als auch Geschichte unterrichtet werden. Auch Frau Stiller und Herr Kanefke freuen sich über einen neuen bunten Tisch im Klassenraum.
Insgesamt vier Tische wurden damit zusammen mit je einer symbolträchtigen weißen Rose der Schulgemeinschaft übergeben und haben nun ihren neuen Platz in Räumen gefunden, „in denen sich an unserer Schule in besonderer Weise für die Stärkung von Demokratie, Toleranz und Vielfalt engagieret wird“, hieß es aus der Arbeitsgruppe. Weitere Tische seien noch in Arbeit.
Zum Abschluss der Veranstaltung präsentierte Frau Wessely, die ebenfalls einen der Demokratietische für ihren Raum erhielt, die Initiative, gemeinsam mit ihrem Geschichts-LK noch mehr Stolpersteine in Markranstädt verlegen lassen zu wollen, um das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus weiterhin zu ehren und aufrecht zu erhalten.
Wir danken unseren Schülerinnen und Schülern und natürlich auch Lehrerinnen und Lehrern für so viel Engagement sowie ein klares Zeichen gegen Rassismus und für eine vereinte, kreative und bunte Gesellschaft.
Wir alle wissen, dass wir keine Schuld an dem tragen, was seit dem 9. November 1938 in Deutschland geschah. Doch tragen wir Verantwortung dafür, dass es niemals wieder passiert.
Um es mit den Worten unserer Namensgeberin, Hannah Arendt, zu sagen: „Das größte begangene Böse ist das Böse, das von Niemanden getan wurde, das heißt, von menschlichen Wesen, die sich weigern, Personen zu sein.“
Lasst uns wieder Menschen sein! Lasst uns aufeinander zugehen, uns zuhören und gemeinsam eine lebenswerte Gesellschaft gestalten, in der die Würde des Menschen wieder oberstes Gut ist.
ein Text von Frau Honig und Frau Böhme
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